von Martina Schneider
Mein Name ist Martina Schneider, ich bin Journalistin und Heilpraktikerin – und im Juli 2021 vom Sahrbach im Altenahrer Ortsteil Kreuzberg aus dem Mittel-Ahrtal herausgespült worden. Weder vom gemütlichen Erdgeschoss meines Bauernhauses noch vom wild-romantischen Innenhof zwischen alter Scheune und Bruchsteinmauern blieb viel übrig. Das war gestern. Heute möchte ich mit Ihnen etwas unternehmen:
Einen mystisch-philosophischen Gartenausflug
„Kein noch so großes Bedauern kann die Vergangenheit ändern, und keine noch so große Sorge kann die Zukunft verändern. Was hilft stattdessen? In diesem Zeitalter der Ungewissheit hilft Anpassungsfähigkeit“, sagt Carl Naughton, Linguist und Wirtschaftspsychologe in Frankfurt.
Ergänzen möchte ich: Kein noch so großes Bedauern kann die Vergangenheit ändern, keine noch so große Sorge kann die Zukunft ändern. Allerdings kann jede Form der Dankbarkeit die Gegenwart verändern.
So bin ich meiner Sehnsucht dankbar, dass sie mich aus einer Jahre währenden Großbaustelle in Kreuzberg/Ahr in eine neue Heimat geführt hat, wo ich nur mal hier, mal da etwas renovieren musste. Nach Gerolstein. Zu meinem Lieblings-Mineralwasser. Und zu den keltischen Wurzeln meiner Ahnen. Dabei habe ich es erst gar nicht bemerkt, als ich nach dem Haus auch den für mich neuen Garten renoviert habe, der nahe des Wanderweges „Keltenpfad“ liegt: Ich nenne seit gut einem Jahr einen keltischen Steinkreis mein eigen. Und die dazu passenden Bäume auch – wie Esche, für die Kelten der Weltenbaum, Vogelbeere, Birke, Nuss – und Eiben, Hüter und Wächter zwischen den Welten.
Allerdings können es selbst mystische Bäume übertreiben. Vor allem Eschen und Haselnussbäume, die sich munter aussäen oder fröhlich von vergesslichen Eichhörnchen ausgesät werden, um Großfamilien zu gründen. Darunter, daneben, davor: Giersch, in Kompaniestärke angerückt. Wenig munter und fröhlich bin ich in für mich neuem Dauereinsatz: Statt täglich Handwerker bei Laune zu halten (oder auf sie zu warten), rette ich selten gewordene Bäume, Sträucher oder Blumen vor dem Erstickungstod.
Meine jüngste Errungenschaft ist übrigens ein Lorbeerbäumchen, das meine heldenhafte Arbeit würdigt: Denn in meinem Traum von Garten besiege ich die viel zu vielen Grünen!
Da mag ihre Natur den Pflanzen zugutekommen, indem sie nichts von Ungewissheit wissen oder sich sogar um ihre Zukunft sorgen. Ob sie im Garten weiterleben dürfen oder auf dem Kompost landen. Sie tun das, was sie einfach tun müssen: wachsen oder eingehen, sich aussäen und einmalig bleiben, klettern oder kriechen, blühen oder welken, sich verströmen oder streng riechen, heilsam sein oder giftig – kurz: Sie passen sich an, an die Rhythmik der Natur, an ihre Aufgabe und Zeit, an ihre Familie, an sich selbst. Sie verstören sich nicht durch unliebsame Gedanken und verzweifeln nicht in Wechselbädern von Gefühlen. Das Leben so annehmen, wie es gerade ist, und erfüllen mit dem, was in einem selbst vorhanden ist: Hierin liegt die prachtvolle Leichtigkeit des Seins, die der Mensch von der Pflanze lernen kann. Und jedwede Zeit wird tatsächlich relativ!
Das Fazit spricht Humorist Heinz Erhardt:
Ich wälze nicht schwere Probleme
und spreche nicht über die Zeit.
Ich weiß nicht, wohin ich dann käme,
ich weiß nur, ich käme nicht weit.“