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Lautlose Worte eines Gartens
In Dagmars Garten
von Rolf Doppenberg
Sie setzt sich,
und schaut hin.
Sie schaut hin,
und wartet.
Schaut genau hin,
ganz tief, ganz zart.
So tief wie die Wurzeln,
so zart wie die Knospen.
Schaut an, und wartet.
Wartet, bis die Intuition keimt.
Ohne Worte schaut sie an.
Sie schaut langsam alles an,
alles, was sie umgibt,
alles, was da ist.
Sie sieht das Haus an,
die Kopfsteinpflaster des Hofes,
sie sieht den Garten an.
Sie schaut jede Pflanze an, jedes Kraut, jeden jungen Baum.
Schaut an – und wartet.
Ohne Worte schaut sie an.
Ohne Worte spricht sie zu den Pflanzen
lautlos,
eine Sprache aus Laub,
Worte aus Wurzeln,
eine Grammatik aus Blattaderungen,
ein Wortschatz aus Blättern und Blüten
bedeutungsschwanger,
voll Knospensinn.
So lässt sie eine lautlose Sprache entstehen,
ein unhörbares Gespräch,
Zwiegespräch zwischen ihr und jedem Lebewesen,
jedem Wesen.
Wo hat sie diese Sprache gelernt, ja woraus?
Es fing mit den Tieren an,
ganz jung lernte sie die Sprache der Pferde,
wortlos Wort für Wort,
ganz sacht, voll Geduld.
Dann brachte sie diese Pferdesprache anderen Menschen bei, Kindern, mit ihren Wunden, in ihrer Sprachlosigkeit.
Diesem Jungen, der kein Wort fand und sich rasch hinter den Bäumen versteckte.
Und jenem Mädchen mit den Scherbenwunden, das mit ihrer Faust die Teller zerschlug.
Bis auch sie die wortfreie Sprache der Pferde Schritt für Schritt verstanden.
Es ging weiter mit den Hunden, Streunern, verlassen, voller Angst, voller Schmerz, voller Flucht. Sie lernte ihre Sprache mit ihren eigenen Händen, mit ihrem Blick. Lautlos, nur herzenslaut.
Und dann fing sie an, mit der Blaumeise deren schnelle Sprache zu üben, mit der Wespe, mit der Mosaikjungfer aus dem Teich.
Und so kam sie allmählich, Blatt für Blatt, zur stillen Krautsprache, zur Laubensprache, Verben aus Wurzeln, Adverbien aus Tageszeiten, Tempora aus Jahreszeiten, Säfte für den Satz, Blütenkrone für den Stil, Samen für den Sinn.
So entstand um ihr Haus, Tag für Tag, in all den Ecken, eine Welt voller Leben, voller Sprachen, voller Gespräche.
Im Vorhof der groß gewordene Mimosenbaum, den ihr eine Freundin aus der Bretagne als Pflänzchen gebracht hatte, neben dem Tisch das gelbblühende Blumenohr, am Wasserspiegel des Teiches die Seerosen, im Herzen dieses bunten Edens der Eifel ein junger Apfelbaum – seine Äste tragen schon wörtlich Sträuße von reifenden Äpfeln. Und dann und wann der satte Ton eines Klangspiels aus Bambus.
Im Hinterhof reifen verflochtene Zwiebeln an der Mauer der alten Scheune, am Boden die saftigen roten Beeren des Aronstabs. Weiter oben gedeihen Buschbohnen und Elefantenknoblauch, in den Beeten Petersilie und Erdbeeren, und da eine große Artischocke. Und hier im Gras ein Mosaik aus Staudeninseln, einer aus gelber Schafgarbe, einer anderen aus dunkelpurpurner Melde oder da die Hörnchengurke.
In der Mitte flüstert ein stolzer zünslerfreier Buchsbaum, den sie aus der Ardèche auch ganz klein hergebracht hatte.
Im Gewächshaus der Zitronenbaum von Antweiler, am Hang ein voller Blütenschrein.
Jede Pflanze kennt sie beim Namen, Luffagurke oder Indianernessel – die mit den Pfeffergeschmack, und alle diesen Namen klingen wie eine Fülle an Sprachen, Sprachen, die sie alle gelernt hat und mit jeder einzelnen Pflanze spricht.
Viele sind einheimisch, vielen kommen von weither. Pflanzen sind Nomaden, verbreiten sich dank ihrer Samen, vom Wind geweht oder von Menschen gebracht.
Und Dagmar – Tochter des Tages – kennt auch die Sprache der Sonne – sie ist eine Sonnenfrau, sehnt sich wie ihre Pflanzen nach Sonnenlicht, so erwägt sie auch ein Nomadenleben zu führen, Sommer in der Eifel, Winter im Süden.
Sie schaut hin,
und wartet.
Auch Sie schaut sie an.
Und selbst wenn sie mit Worten spricht, bleibt die Sprache ohne Worte da, eine tiefe Wurzelsprache.
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